Von Johannes Schidelko (KNA)
Über Jahrzehnte stand es schlecht und immer schlechter um die Geburtskirche in Bethlehem. Nun sollen bis Ostern die herrlichen alten Mosaiken über der Geburtsstätte Christi wieder in ihrem ursprünglichen Glanz strahlen.
Bethlehem (KNA) Das große Provisorium in der Geburtskirche von Bethlehem dürfte bald vorüber sein. Zu Ostern 2017 sollen die Absperrungen, Gerüste und tiefergehängten Decken verschwinden und wieder den vollen Blick auf das Gotteshaus aus dem sechsten Jahrhundert freigeben. Vor allem werden dann die herrlichen alten Mosaiken wieder in ihrem ursprünglichen Glanz erstrahlen. Damit sind die Arbeiten an einer der ältesten Kirchen der Christenheit, die der Tradition nach über der Geburtsstätte Christi errichtet wurde, zwar noch nicht beendet; sie sind bis 2019 angesetzt. Doch immerhin sind dann zwei wichtige Etappen abgeschlossen.
Im Moment jedoch hämmern, bohren, sägen und schleifen mehr als zwei Dutzend Arbeiter hinter den weißen Planen und Sichtblenden. Allerdings mit vielen Unterbrechungen. Denn die Gottesdienste und die täglichen Prozessionen der Mönche zu dem 14-zackigen Silberstern in der Grotte dürfen nicht gestört werden. Auch der Pilgerbetrieb geht fast normal weiter. Bis jetzt hat es keinen einzigen Unfall infolge der Restaurierung gegeben, versichert Imad Nassar, der zuständige Architekt des palästinensischen Präsidialkomitees.
Begonnen hatte das Jahrhundertprojekt nach Hiobsbotschaften von Architekten und Statikern – und einem Machtwort von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Er brachte die drei rivalisierenden Kircheneigner – Griechisch-Orthodoxe, Armenier und Katholiken – dazu, endlich einer Restaurierung zuzustimmen. Denn die jahrhundertealten Dachbalken waren morsch, die Bleidecke drohte einzustürzen. Die Sicherheit der jährlich eineinhalb Millionen Besucher war ernsthaft gefährdet. Zudem machte die Kirche durch jahrhundertealten Ruß von Kerzen und Weihrauch sowie durch Wassereinsickerungen einen düsteren und vernachlässigten Eindruck.
Nach gründlichen Studien erhielt die italienische Firma Piacenti aus der Toskana-Stadt Prato den Zuschlag für die Dachsanierung. Die erste Frage war die nach kompatiblem Holz, mit dem die maroden Balken ausgebessert werden könnten. Schließlich trieb man in Italien 400 Jahre altes Holz auf, das erforderliche Blei kommt aus Deutschland, wie Giammarco Piacenti der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) verriet. Auch regendichte Fenster wurden eingebaut, die die für Mosaiken und Träger gefährlichen UV-Strahlen filtern.
Die erfolgreiche erste Etappe ermunterte Bauherren und Kircheneigner zur Fortsetzung. Hinzu kam, dass Palästina 2011 von der Weltkulturorganisation Unesco anerkannt wurde und acht Monate später Bethlehem auf die Liste des Weltkulturerbes kam. Schon bei den Dacharbeiten zeigte sich der prekäre Zustand der darunter befindlichen 800 Jahre alten Mosaiken. Ursprünglich bekleideten sie 2.000 Quadratmeter Fläche; heute sind nur noch 130 Quadratmeter übrig. Der größte Teil wurde in osmanischer Zeit beschädigt, abgeschlagen oder fiel bei dem schweren Erdbeben um 1830 ab.
So wurden etwa 1,6 Millionen kleine Stücke verschiedenster Mineralien, mit Gold und Silber bedeckte Steine sowie Perlmutt von der Ruß- und Fettschicht befreit und neu stabilisiert. Dabei kamen die Restauratoren auch hinter das Geheimnis des Glanzes: Die Steinchen waren leicht geneigt eingesetzt und reflektieren damit das Licht auf fast mystische Weise.
Und in diesem Bauabschnitt gab es noch weitere Überraschungen: Im Fries zwischen den Fenstern entdeckten die Archäologen im UV-Licht ein unter dem Putz verborgenes weiteres Engel-Mosaik auf goldenem Hintergrund. Wie die sechs übrigen weist er dem Besucher mit ausgebreiteten Händen den Weg zur Geburtsgrotte Christi. Dieser siebte Engel wurde bereits zu einem Wahrzeichen der erneuerten Geburtskirche.
Pierbattista Pizzaballa, der neue Leiter des Lateinischen Patriarchats, wählte ihn für seine Einladungskarte zur Bischofsweihe. Das andere Symbolbild der Restaurierungen: die Begegnung des auferstandenen Christus mit dem ungläubigen Thomas, dessen Hand er in seine Seitenwunde drückt. Es gilt als erste Darstellung dieser Art in der christlichen Ikonographie, wie Piacenti betont.
Finanziert wird das Projekt etwa zur Hälfte von der palästinensischen Regierung und vom Privatsektor, wie die frühere Tourismusministerin Khouloud Daibes im KNA-Gespräch betont. Die andere Hälfte muss durch Sponsoring, Spenden und Fundraising gedeckt werden, an dem sich etwa der Vatikan, Griechenland, Russland, Marokko und Deutschland beteiligen. Bislang kostete es rund zehn Millionen Euro; die gleiche Summe wird nochmals benötigt. In den nächsten Etappen sollen auch die 50 Säulen des Kirchenschiffs renoviert werden, von denen 32 Malereien aus der Kreuzfahrerzeit zeigen.
Die Christin Daibes, die inzwischen die Palästinenser-Vertretung in Berlin leitet, ist froh und stolz auf das bisherige Projekt. “Diese Kirche hat einen spirituellen Wert für alle Gläubigen. Jetzt aber kommt auch noch ein künstlerischer Wert hinzu.” Während überall in der Region, vor allem aus Syrien und dem Irak, Christen fliehen müssten, sei es ein “positives Zeichen, dass hier von Christen und Muslimen gemeinsam eine Kirche restauriert wird, die eine sehr wichtige Kulturstätte der ganzen Menschheit ist”.