Von Johannes Schidelko (KNA)
Wozu Streit auch gut sein kann, zeigt die Geburtskirche in Bethlehem. Durch den Zank zwischen den christlichen Konfessionen blieb die überlieferte Geburtsstätte Jesu über Jahrhunderte von “Modernisierungen” verschont.
Bethlehem (KNA) Die Geburtskirche im Zentrum von Bethlehem ist eine der heiligsten Stätten der Christenheit. Kaiser Konstantin begann 326, zwei Jahre nach der Grabes- und Auferstehungskirche von Jerusalem, mit einem Kirchbau an der Stelle, an der nach der Tradition Maria in einer Höhle oder Krippe Jesus geboren hat. Konstantin, unterstützt von seiner Mutter Helena, musste dabei ein heidnisches Adonis-Heiligtum schleifen. Mit diesem wollte sein Vorvorgänger Hadrian um 130 die christliche Tradition an dieser Stelle tilgen.
Warum der Konstantin-Bau 200 Jahre später unter Kaiser Justinian durch eine nur geringfügig größere Kirche ersetzt wurde, konnte bislang nicht geklärt werden. Möglicherweise wurde sie durch ein Erdbeben zerstört, vielleicht auch durch Brand im Zuge des Samaritanischen Aufstands. Von Konstantins Bau imponieren noch die herrlichen, größtenteils abgedeckten Bodenmosaiken.
Justinians Kirche wurde 533 geweiht. Sie überdauerte um das Jahr 600 den Angriff der Perser – offenbar weil sie in den Heiligen Drei Königen auf der Außenfassade Landsleute erkannten. Und wie durch ein Wunder wurde das Gotteshaus auch von der Zerstörungswut Hakims um das Jahr 1000 verschont. Auf jeden Fall steht Justinians Gotteshaus bis heute; es zählt damit zu den ältesten erhaltenen Kirchen der Christenheit. Unter ihrem Hauptaltar befindet sich eine zwölf mal zehn Meter große Grotte, in der ein 14-zackiger Stern auf dem Boden den Geburtsort Jesu markiert.
1099 rückten die Kreuzfahrer noch vor der Eroberung Jerusalems in Bethlehem ein. Deren Könige Balduin I. und Balduin II. ließen sich hier 1100 und 1119 zu Königen krönen. Die Kirche wurde generalüberholt und nach 1160 in einer ökumenischen Aktion mit herrlichen Mosaiken ausgeschmückt. Gut 100 Jahre nach dem Großen Schisma von 1054 traten Katholiken und orthodoxe Byzantiner als gemeinsame Auftraggeber auf. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte wurde die Geburtskirche freilich Ort heftiger Rivalitäten zwischen den Konfessionen.
Möglich geworden sind die aktuellen Restaurierungsarbeiten in Bethlehem durch den Druck der palästinensischen Behörden auf die drei zuständigen christlichen Konfessionen: Orthodoxe, Armenier und Katholiken. Wie in der Jerusalemer Grabeskirche gilt auch hier in Bethlehem zur Vermeidung von Streit zwischen des Konfessionen der sogenannte Status quo von 1852. Der damalige Besitzstand und die Nutzungsrechte der Konfessionen an dem Gotteshaus sollten unverändert bleiben und eingefroren werden.
Das ist allerdings in Bethlehem schwieriger als in Jerusalem, weil hier der ursprüngliche Zustand weniger klar definiert ist. Dies führte immer wieder zu Streit und zu Handgreiflichkeiten – und war sogar ein Auslöser des Krimkriegs 1853-1856. Diese Rivalitäten haben freilich auch bewirkt, dass das Gotteshaus bis heute im Wesentlichen im Zustand aus der Zeit Justinians erhalten blieb. Sie wurde nicht nach einem späteren Zeitgeschmack “verschönert”, wie es vielen Kirchen etwa durch Barockisierung widerfuhr.
Weitgehend unbeschadet überstand die Kirche im Frühjahr 2002 eine Besetzung durch rund 200 Palästinenser, darunter etliche bewaffnete Kämpfer, die ihrerseits von der israelischen Armee belagert wurden. Durch internationale Vermittlung wurde der 40-tägige Nervenkrieg mit mehreren Toten durch einen friedlichen Abzug beendet. Im Juni 2012 setzte die Weltkulturorganisation Unesco den Komplex der Geburtskirche mit ihren anliegenden Klöstern und Hospizen auf die Liste des Weltkulturerbes.